Praxistest für das ALR

Das Nichtehelichenrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts in der Rechtsprechung des Kammergerichts 1794–1803

Fabian Schroth

Rechtsprechung. Materialien und Studien 33
Frankfurt am Main: Klostermann 2016. XV, 337 S.

ISSN 0931-6183
ISBN 978-3-465-04186-3


Die Betrachtung und Bewertung des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 (ALR) beschränkt sich bis heute auf einen in erster Linie rechtstheoretischen und dogmatischen Ansatz. Kaum erforscht ist dagegen die mindestens genauso wichtige Frage, wie das neue Gesetzbuch in die Praxis umgesetzt wurde, ob es denn tatsächlich „funktionierte“ und akzeptiert wurde. Immerhin löste der neue Kodex das jahrhundertealte Römische Recht ab und galt bis zum Inkrafttreten des BGB.

Die Arbeit untersucht exemplarisch ca. 400 bislang unveröffentlichte und auf dieser Website in Abschrift zugänglich gemachte Urteile des Kammergerichts Berlin aus den Jahren 1794–1803, die Ansprüche lediger Mütter und nichtehelicher Kinder gegen den mutmaßlichen Vater behandeln. Das von Anfang an insbesondere durch Savigny erbittert bekämpfte, aber äußerst fortschrittliche Nichtehelichenrecht ist eines der Herzstücke des ALR. Es steht stellvertretend für die rechtspolitischen Ziele im friderizianischen Preußen und hatte darüber hinaus eine enorme praktische Relevanz. Die Untersuchung zeigt, dass die Richter – alles andere als „Subsumtionsautomaten“ – dem neuen Nichtehelichenrecht sogar über dessen eigentlich vorgesehenen Geltungsbereich zur Anwendung verhalfen. Sie markiert neben solchen Erfolgen aber auch die zum Teil engen Grenzen, an welche die Ideale der Reformer bei der Implementierung in die Praxis stoßen und verdeutlicht, dass Moralvorstellungen einer Gesellschaft kaum per Gesetz „von oben“ verändert werden können.

Ausgezeichnet mit dem Justizpreis Berlin-Brandenburg – Carl Gottlieb Svarez 2013

 

Urteile des Kammergerichts Berlin zum Nichtehelichenrecht

Sentenzbücher, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam

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