Priester der Themis.
Richterliches Selbstverständnis in Italien nach 1945

Michele Luminati

Rechtsprechung. Materialien und Studien 25
Frankfurt am Main: Klostermann 2007. XIII, 463 S.

ISSN: 0931-6183
ISBN: 978-3-465-04035-4


Die italienische Justiz steht seit den 1990er-Jahren im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit und der politischen Debatte. Man denke nur an die Strafuntersuchungen der Mailänder Staatsanwaltschaft gegen die politische Korruption („Mani pulite“), an die Mafia-Prozesse und an die heftigen Kontroversen mit dem früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Das vorliegende Buch geht der Frage nach, welches Selbstverständnis, welches Berufsbild den italienischen Richtern erlaubt hat, eine derart autonome und prominente Rolle zu spielen. Als Hauptquellen zur Rekonstruktion des italienischen Richterbildes der Nachkriegszeit dienen die unzähligen Selbstdarstellungen (Memoiren, Festreden, Nekrologe, Kongressakten usw.), aus denen das ‚ewige’ und zugleich sich stets wandelnde Modell des Justizpriesters hervorgeht. Der richterliche Diskurs wird auch mit den Positionen und den Kämpfen auf dem Justizfeld in Verbindung gebracht. Die aus dem Faschismus hervorgegangene, streng hierarchisch gegliederte und autoritär denkende Richterschaft erlebte seit den späten 50er-Jahren zunehmend heftige interne Kämpfe, die zur Entstehung von ideologisch geprägten Gruppierungen führten. Entsprechend vielfältig gestaltete sich die Debatte über das Richterideal: Die Positionen reichten vom Festhalten an der ‚splendid isolation’ einer konservativen Richterkaste bis hin zur Figur des mit der Arbeiterbewegung verbundenen, alternativen Richters. Die Studie geht den Verästelungen der Selbstbeschreibungen nach und zeigt auf, wie sich, gegen Ende der 80er-Jahre, daraus ein neues, erfolgreiches Berufsmodell entwickeln konnte.

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