Nichtstaatliches Recht der Wirtschaft. Die normative Ordnung der Arbeitsbeziehungen in der Metallindustrie vom Kaiserreich bis in die frühe Bundesrepublik

Nichtstaatliches Recht der Wirtschaft. Die normative Ordnung der Arbeitsbeziehungen in der Metallindustrie vom Kaiserreich bis in die frühe Bundesrepublik

Forschungsprojekt

Das Projekt rekonstruiert die normative Welt der Arbeitsbeziehungen in der Metallindustrie, eines der bedeutendsten deutschen Wirtschaftssektoren des 19. und 20. Jahrhunderts.  Mithilfe einer systematischen Erfassung von Quellen soll der rechtlichen Entwicklung dieses Wirtschaftsbereiches als einem semi-autonomen Feld nachgegangen werden. Das Projekt folgt der Hypothese, dass sich normative Arrangements eigener Art herausbildeten, die von den ökonomischen und sozialpolitischen Vorstellungen der Beteiligten geprägt waren. Diese Arrangements ergänzten staatliches Recht und komplementierten es, griffen ihm in einigen Bereichen sogar voraus.

Im Mittelpunkt steht die Erstellung einer digitalen Quellenedition, die die Diversität der Normen und Reglements widerspiegeln wird, darunter innerbetriebliche Reglements wie Arbeits- und Fabrikordnungen oder Regelungen mit sozialpolitischem Bezug, wie Statuten von Betriebskrankenkassen und -pensionskassen oder auch Mietverträge. Des Weiteren wird die vielfältige Tarifvertragslandschaft erschlossen sowie individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer:innen, wie das nebenstehende Beispiel eines Lehrvertrages zwischen der Firma Wilhelm Marell, Tachometerwerk Leipzig, und seines zukünftigen Lehrlings Paul Schubert aus dem Jahr 1914 zeigt.

Für die Erstellung der Quellenedition werden die Quellen in verschiedenen Archiven von den Projektmitarbeitenden digitalisiert und anschließend für die computergestützte Weiterverarbeitung optimiert. Das Resultat der automatischen Texterfassung (OCR, Optical Character Recognition) wird um eine editorische Kennzeichnung von handschriftlichen Eintragungen und Streichungen manuell ergänzt (wie Abb. 2 veranschaulicht) und mit Hilfe ausgewählter Begriffe (Tags) kategorisiert, um eine detaillierte Quellenanalyse zu ermöglichen.

Dieses erstmals in diesem Umfang zusammengetragene Material soll als Basis für weitere Forschungen der Rechtsgeschichte wie der Wirtschafts- und Sozialgeschichte dienen. Das Projekt ist interdisziplinär angelegt und wird sowohl aus rechthistorischer wie sozialhistorischer Perspektive bearbeitet. Projektbeginn war November 2019.

 

 

 

 

 

 

 

 

Teil des Projektes sind eine Habilitation und zwei Dissertationen zu folgenden Themen:

Johanna Wolf: Ordnung im Betrieb. Die Entwicklung von Arbeitsordnungen in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert

Matthias Ebbertz: Betriebsgemeinschaft statt Klassenkampf. Das Ideal konfliktarmer Selbstregulierung in der Weimarer Republik

Tim-Niklas Vesper: Regulierung, Normativität und Organisation betrieblicher Sozialpolitik. Eine interregionale Untersuchung der deutschen Metallindustrie 1871-1932

 

Das Gesamtprojekt wird gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW e.V. und dem Institut der deutschen Wirtschaft, Köln. Vor allem im Rahmen der "Initiative Arbeitsrechtsgeschichte" erfolgt eine Kooperation mit dem Hugo-Sinzheimer-Institut.

Die Projektarbeit wird begleitet von einem Fachbeirat, der aus folgenden Mitgliedern besteht: Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein (Goethe-Universität Frankfurt am Main/Bundesverfassungsgericht) (Beiratsvorsitzende); Prof. Dr. Boris Gehlen (Universität Stuttgart); Prof Dr. Thorsten Keiser (Universität Gießen); Prof. Dr. Michael Kittner (Hugo-Sinzheimer-Institut, Frankfurt am Main); Prof. Dr. Nina Kleinöder (Universität Bamberg); Dr. Hagen Lesch (Institut der Deutschen Wirtschaft, Köln); Dr. Luitwin Mallmann (Verband der Metall- und Elektro-Industrie NRW, Düsseldorf).


Bild: Das Stahlwerk von Differdingen, die Thomas-Konverter.

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