Wie Ordnung gemacht wurde: Ein digitales Fenster in die Normenwelt der Frühen Neuzeit

26. Mai 2025

Als Kaiser Karl V. 1530 befahl, dass Wirtshäuser bei Einbruch der Dunkelheit schließen und prunkvolle Kleidung nur dem Adel vorbehalten sei, war das mehr als nur ein Gebot: Es war ein Ausdruck seiner Macht und zugleich entsprach er dem Bedürfnis der Menschen nach Ordnung. Policeyordnungen wie diese regelten in der Frühen Neuzeit das Leben bis ins Detail – vom Kirchgang bis zum Bierpreis.

Wer heute diese Normen verstehen will, kann sich über  Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit einen ersten Einblick verschaffen. Nun steht das zwölfbändige Werk auch online zu Verfügung Damit steht erstmals ein digitales Instrument zur Verfügung, das über 200.000 Gesetze erfasst – systematisch, zugänglich, durchsuchbar. Das Projekt, entwickelt am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie unter Leitung von Karl Härter, geht zurück auf eine Vision von Michael Stolleis. Es zeigt: Ordnung war nie abstrakt. Sie war konkret, lokal, durch Vorschrift gemacht – und sagt viel über das Selbstverständnis vergangener Gesellschaften aus.

Ein Mammutprojekt wird digital

Das Repertorium ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung. Ziel war es, die Policeygesetze vom 13. Jahrhundert bis 1806 nicht nur als historische Dokumente zu katalogisieren, sondern als Spiegel gesellschaftlicher Ordnung zu analysieren. Denn in diesen Normen zeigen sich Machtstrukturen, Moralvorstellungen und soziale Kontrolle frühneuzeitlicher Gesellschaften.
Die Ordnungen wurden nach Normgeber, Gesetzestyp, Geltungsbereich und Bezug zu älteren Gesetzen beschrieben und in einem dreistufigen Sachindex erfasst. Zwölf umfangreiche Bände dokumentieren diese Normenflut – von Reichsstädten über geistliche Fürstentümer bis zu skandinavischen Regionen. Nun sind sie als durchsuchbare Online-Datenbank frei zugänglich. 

Die Vordenker: Stolleis und Härter

Zwei Namen stehen für dieses Forschungsprojekt: Karl Härter, assozierter Wissenschaftler am Max-Planck-Institut, koordinierte das Repertorium über Jahrzehnte. Seine Systematik, Ausdauer und Expertise prägten das Werk entscheidend.

Der zweite ist Michael Stolleis, der 2021 verstorbene langjährige Direktor des Instituts. Er erkannte früh, welche wissenschaftliche Bedeutung in den Policeyordnungen steckt. Für ihn war Recht nie nur System, sondern immer Ausdruck gesellschaftlicher Praxis. Das Repertorium steht in dieser Tradition – als Arbeit zweier Forscher, die Ordnung nicht verwalten, sondern verstehen wollten.

Ausblick

Mit der Online-Stellung ist ein Meilenstein erreicht. Doch das Projekt entwickelt sich weiter: Zusätzliche Territorien, digitale Analysetools, mehrsprachige Oberflächen. Was einst Instrument der Machtausübung war, wird zum Fenster in die Vergangenheit. Es zeigt nicht nur, was verboten war – sondern wie eine Gesellschaft sich selbst verstand.

Zum Repertorium der Policeyordnungen

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