Konzernarchitektur
Bauliche und rechtliche Ordnungsregime der korporativen Moderne
Gemeinschaftsprojekt
Der Aufstieg der Kapitalgesellschaft zum weltweit wichtigsten privatwirtschaftlichen Akteur markiert einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der Neuzeit. Der Wandel, der sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert vollzog, erscheint heute unumkehrbar, so essentiell sind Kapitalgesellschaften für moderne Volkswirtschaften. Es war nicht zuletzt die Konzernbildung, d. h. der Erwerb von Anteilen und die sich daran anschließende Steuerung einer Gesellschaft durch eine andere, die rechtlich wie ökonomisch völlig neue Perspektiven eröffnete.
Die architektonischen Implikationen dieser institutionellen Revolution sind bislang nur unzureichend untersucht. Das hängt u.a. damit zusammen, dass oft nicht hinreichend klar zwischen der im eigentlichen Sinne rechtlich-institutionellen und der technischen Dimension des Wandels unterschieden wird. Im Zentrum der Forschung zu einer vornehmlich technisch-industriell verstandenen corporate architecture stehen ikonische Industriebauten. Demgegenüber nimmt das vorliegende Projekt die Orte und Räume in den Blick, in denen gemäß der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung die maßgeblichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden. Dazu zählen nicht nur die Dienst- und Tagungszimmer von Vorständen und Aufsichtsräten (bzw. Board-Mitglieder), sondern auch die baulichen Arrangements der „korporativen Infrastruktur“, auf deren Funktionsfähigkeit die Unternehmensleitung angewiesen ist (Banken, Börse, Zentralverwahrer, Kanzleien, Wirtschaftsprüfer usw.). Auf diese Weise kann das Vorhaben einen Beitrag leisten zum besseren Verständnis architektonischer und (stadt-)ökonomischer Mikro- und Makrostrukturen von corporate cities wie New York, Berlin (bis 1945) und Frankfurt am Main. Umgekehrt steht das Recht insoweit in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Architektur, als die hochabstrakten juristischen Zusammenhänge zur Veranschaulichung eines metaphorischen Referenzsystems bedürfen und architektonische Referenzen im Verlauf des 20. Jahrhunderts an Bedeutung gewinnen.