Geweihte Sünder

2. Juli 2025

Sexueller Missbrauch durch Kleriker ist kein neues Phänomen. Bereits lange vor den heutigen Schlagzeilen setzte sich die christliche Kirche mit der Frage auseinander, wie zu reagieren sei, wenn Amtsträger selbst zu Tätern wurden. In Sexueller Kindesmissbrauch und Sodomie im mittelalterlichen Kirchenrecht rekonstruiert Kevin Kulp, wie das kirchliche Recht mit solchen Vergehen umging – in einer detaillierten rechtshistorischen Untersuchung, die sich von der Spätantike bis zur Reformation erstreckt.

Der Band ist der vierte Beitrag im Themenfeld Recht im ersten Jahrtausend und erscheint in der Reihe Studien zur europäischen Rechtsgeschichte (Band 345). Kulp zeichnet die Entwicklung der rechtlichen Begriffe von Missbrauch und Sodomie im kirchlichen Recht nach. Dabei geht es ihm nicht nur um die Normen selbst, sondern auch um das sich wandelnde theologische und institutionelle Selbstverständnis der Kirche.

Das Buch offenbart eine lange und widersprüchliche Tradition: Die Versuche, Missbrauch zu definieren, zu verurteilen oder zu verschweigen, waren nie statisch, sondern wandelten sich mit dem kirchlichen Verständnis von Sünde, Macht und Disziplin. Indem Kulp diese Entwicklungen kartiert, liefert seine Arbeit eine historische Tiefenschärfe für ein nach wie vor aktuelles Thema. Er argumentiert, dass die Auseinandersetzung mit diesen Rechtstraditionen, die bis heute kirchliches Handeln prägen, dazu beitragen kann, die gegenwärtigen Debatten um Verantwortung und das Verhältnis von kirchlichem und staatlichem Recht klarer zu erfassen.

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