Die Vereinheitlichung des internationalen Zivilverfahrensrechts der Europäischen Union

Forschungsprojekt

Das Projekt untersucht aus rechtshistorischer und rechtsvergleichender Perspektive die Entstehung des vereinheitlichten internationalen Zivilverfahrensrechts der Europäischen Union. Gegenwärtig werden die internationale Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- und Handelssachen innerhalb der Europäischen Union durch die Brüssel-1a-Verordnung geregelt. Diese Verordnung hat ihren Ursprung im Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27. September 1968 (EuGVÜ). Das EuGVÜ war das erste Übereinkommen zwischen den Gründerstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet des internationalen Zivilverfahrensrechts und gilt als Meilenstein für die Rechtsvereinheitlichung in diesem Bereich.

Doch wie gestalteten sich die Verhandlungen zwischen den EWG-Mitgliedsstaaten, die zur Unterzeichnung des EuGVÜ führten? Gab es einzelne Schlüsselfiguren, denen die Vereinheitlichung besonders wichtig war, oder gab es andere entscheidende Faktoren während der Verhandlungen? Welche Konfliktlinien zeichneten sich ab und wie wurden sie gelöst? Ausgehend von einem Überblick über die Entwicklung des internationalen Zivilverfahrensrechts vor Inkrafttreten des EuGVÜ werden im ersten Teil des Projekts die jeweiligen zeitgenössischen nationalen Regelungen der EWG-Gründungsstaaten sowie die bilateralen Staatsverträge miteinander verglichen. Dieser Rechtsvergleich soll zum einen der Kontextualisierung des damaligen Expertendiskurses dienen und zum anderen die Frage beantworten, ob die nationalen Regelungen als Modellnormen für das EuGVÜ fungierten. Der zweite Teil widmet sich dem konkreten Verlauf der Vertragsverhandlungen: Ausgehend von der Vereinheitlichungsinitiative seitens der Kommission im Jahr 1959 werden sowohl die Organisationsstrukturen des sogenannten "Expertenkomitees" als auch die inhaltlichen Debatten zur Normgenese analysiert. Mit Hilfe von Archivquellen sowie biographischen und rechtsvergleichenden Ansätzen werden die Verhandlungen der sechs EWG-Gründungsstaaten in dieser frühen Phase der unionsrechtlichen Integration nachgezeichnet. Aufbauend auf den Zwischenergebnissen werden im dritten Teil die Verhandlungen zum so genannten Luxemburger Protokoll untersucht. Das Luxemburger Protokoll wurde am 3. Juni 1971 unterzeichnet und regelt die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich der Auslegung des EuGVÜ.

An der Schnittstelle zwischen der Rechtsgeschichte der Europäischen Union, dem internationalen Zivilverfahrensrecht und dem Völkerrecht verortet, analysiert das Forschungsprojekt die Normgenese des EuGVÜ und trägt somit zur historischen Kontextualisierung und zum besseren Verständnis des genuinen europäischen internationalen Verfahrensrechts in Zivil- und Handelssachen bei.

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