Technologischer Wandel und Regulierungsdiskurs aus digitalhistorischer Perspektive (Arbeitstitel)

Laufendes Habilitationsprojekt

Die Digitalisierung hat die Automatisierung in vielen Branchen vorangetrieben und Befürchtungen geschürt, dass menschliche Arbeitskräfte überflüssig werden könnten. Eine viel diskutierte Oxford-Studie prognostiziert, dass fast die Hälfte der bestehenden Arbeitsplätze verdrängt zu werden droht. Auch wenn andere Forscher dieses Ergebnis in Frage stellen, hat sich ein breiter öffentlicher Diskurs darüber entwickelt, ob digitale Plattformen, Waren und Dienstleistungen disruptive Innovationen darstellen, die einen bedeutenden Wert schaffen, oder ob es sich um ausbeuterische und überwachende Technologien handelt, die den gesellschaftlichen Wohlstand verringern. Um die Aussichten für das digitale Zeitalter zu erhellen, können sich Historiker und Sozialwissenschaftler an historischen Beispielen des technologischen Wandels orientieren; beispielsweise, indem sie den ersten historischen Index für gute Arbeitsplätze erstellen und das arbeitsbezogene Wohlbefinden in der Spinnerei und im Transportwesen messen oder indem sie die langfristigen Trends in der Informations- und Kommunikationstechnologie und den qualifikationsbasierten technischen Wandel analysieren. Während die Auswirkungen der Industriellen Revolution zu den am meisten untersuchten Themen der Wirtschaftsgeschichte gehört, versucht dieser neueste Forschungsansatz, Lehren aus der Geschichte zu nutzen, um zeitgenössische Debatten über digitale Technologien zu kontextualisieren.

Indem mein Habilitationsprojekt den mit der Digitalisierung verbundenen diskursiven Wandel in eine breitere historische Perspektive stellt, die sich auf die Beziehung zwischen technologischem Wandel und öffentlicher Meinung konzentriert, möchte es diese Literatur um einen neuen Aspekt bereichern. Es geht also weniger um eine politische Ökonomie des technologischen Wandels als vielmehr um die damit einhergehenden diskursiven Aushandlungen, um die mit der Innovation verbundenen Hoffnungen und Befürchtungen und um deren regulatorische Konsequenzen. Um sich dieser Forschungsfrage zu nähern, werde ich mich auf umfangreiche digitalisierte Primärquellen wie historische Zeitungen, Parlamentsreden und Rechtsfälle stützen und verschiedene Text-Mining-Methoden, vor allem die Sentiment-Analyse, anwenden. Damit ist das Projekt disziplinär zwischen den Wissenschafts- und Technikwissenschaften sowie der Wirtschafts- und Rechtsgeschichte angesiedelt und methodisch zwischen der Begriffsgeschichte, der Diskursanalyse und neuen Techniken des Natural Language Processing aus den Digital Humanities. Die in dieser Untersuchung gesammelten empirischen Erkenntnisse könnten zur wissenschaftlichen Debatte über die sogenannte „Große Divergenz“ beitragen und gleichzeitig die methodische Diskussion über die Sentiment-Analyse vorantreiben, indem sie deren Verwendbarkeit in transnationalen Fallstudien mit verschiedenen Sprachen und Kontexten prüft.

Aktuelle Informationen sind auf der Projektwebsite zu finden. 

Zur Redakteursansicht