Das Wissen der Kanonisten in Spätmittelalter und Frühneuzeit
Forschungsprojekt
Das kanonische Recht der katholischen Kirche bildete seit der Spätantike einen zentralen Schnittpunkt vielfältiger Formen religiöser und rechtlicher Normativität. Seit dem 12. Jahrhundert war es Gegenstand eines gelehrten Unterrichts und einer umfangreichen Literatur und wurde von akademisch ausgebildeten Spezialisten, den Kanonisten, geistig durchdrungen und in der Praxis angewendet. Die hervorragende Rolle des kanonischen Rechts für das Rechtsleben endete in Europa erst mit der Reformation bzw. – in den katholischen Ländern – mit dem Fall des Ancien Régime. Ungeachtet der großen historischen Bedeutung ist die Geschichte des kanonischen Rechts und seiner Wissenschaft im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit noch über weite Strecken wenig erforscht.
Das Arbeitsvorhaben nimmt die Gewinnung, Ordnung und Anwendung von kanonistischem Wissen in der Vormoderne in den Blick. Dabei geht es ausgehend von der traditionellen Institutionen-, Quellen- und Literaturgeschichte insbesondere um die Entwicklung und Anwendung kirchenrechtlicher Methoden sowie um die vielfältigen Versuche, das damit gewonnene Wissen zu organisieren und zu vermitteln, wenn man etwa an das Phänomen der Epitomierung bzw. der Epitomen denkt. Davon abgesehen interessiert jedoch auch das Selbstverständnis der Kanonisten und ihre Auffassung von dem Standort ihrer Disziplin insbesondere im Verhältnis zu katholischer Kirche, Glauben und (Moral)Theologie auf der einen und dem Staat, seinem Recht und der weltlichen Rechtswissenschaft auf der anderen Seite.