Die Sprache des Ordoliberalismus und das europäische Wettbewerbsrecht
Band 340 der Studien zur europäischen Rechtsgeschichte erschienen
Anselm Küsters untersucht in seiner innovativen Studie die ordoliberale Schule des Wettbewerbsdenkens als distinktive Sprachgemeinschaft, deren konzeptioneller und semantischer Einfluss über Deutschland hinausging und die europäische Rechtsordnung prägte. Während die Verhandlungen über die Gründungsverträge der europäischen Gemeinschaft noch von unterschiedlichen normativen Vorstellungen darüber geprägt waren, was Wettbewerb ist und welche Rolle er spielen sollte, bestimmte bald die dem Ordoliberalismus verpflichtete Wettbewerbskonzeption der Freiburger Schule den Diskurs sowie die Entscheidungen der Europäischen Kommission und die Urteile der Europäischen Gerichte.
Erst mit den Reformen im Rahmen des „More Economic Approach“ (MEA), die die Kommission seit Anfang der 2000er Jahre durchführte, wurde diese ordoliberale Sprache durch andere Konzepte und Semantiken ersetzt, die der klassischen Chicago School und der neuen Literatur zur Industrieorganisation (IO) entlehnt sind. Dies leitete eine neoliberale Periode der europäischen Wettbewerbspolitik ein.
Küsters kombiniert in seiner tiefschürfenden Analyse dieser Entwicklungen Archivmaterial, Oral History-Interviews, Rechtsprechung und Text Mining-Methoden. Seine Studie leistet einen bedeutenden Beitrag zur Geschichtsschreibung der intellektuellen Grundlagen des EU-Wettbewerbsrechts, zur Literatur über den globalen Aufstieg des Neoliberalismus, zur Geschichte des Ordoliberalismus der Nachkriegszeit und zur methodologischen Debatte über Digital Humanities in den Sozialwissenschaften.
Für seine wissenschaftlichen Leistungen und die diesem Buch zugrunde liegende Dissertation erhielt Anselm Küsters die Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft sowie den Roman-Herzog-Forschungspreis für Soziale Marktwirtschaft 2023.