Fruchtbarer Streit um biblische Texte im Hochmittelalter

Band 335 der Studien zur europäischen Rechtsgeschichte erschienen
 

10. Oktober 2022

Im Ringen zwischen geistlicher und weltlicher Macht um die rechte Weltordnung zur Zeit des Investiturstreits waren die biblischen Texte maßgeblich. Dem bisher wenig erforschten Verhältnis von Bibel und Kirchenrecht im Hochmittelalter widmet sich Philipp Spahns nun als Buch erschienene Dissertation, die am mpilhlt entstanden ist und mit dem Friedrich Sperl-Preis der Goethe-Universität Frankfurt 2022 ausgezeichnet wurde.

Die ebenso gelehrte wie anregende Untersuchung befragt die zwischen 1050 und 1140 entstandenen Streitschriften, die der Autor nicht als polemische Publizistik versteht, sondern als frühe kirchliche Rechtsliteratur neu bewertet. Er belegt zunächst, dass die zeitgenössische Interpretation biblischer Texte in den Streitschriften zur Verwissenschaftlichung des Kirchenrechts und der Theologie beitrug, die sich auch auf die Hierarchie der Autoritäten und Normen auswirkte. 

Vor dem Hintergrund dieser rechtsgeschichtlichen Wende werden in einem zweiten Teil die biblischen Fundamente des Verhältnisses von geistlicher und weltlicher Gewalt analysiert, die sich in den Auseinandersetzungen um die Stellung des Papstes und des Kaisers im späten 11. und frühen 12. Jahrhundert offenbarten. Während die Grundlagen der Kirche vornehmlich im Neuen Testament gefunden wurden, legitimierte man die Stellung des weltlichen Herrschers und dessen Unantastbarkeit mittels Rückgriff auf die alttestamentliche Königssalbung.

Insgesamt zeigt das Buch, dass die methodengeschichtlichen Veränderungen im Kirchenrecht des Hochmittelalters und die Verrechtlichung der Kirche einen inneren Zusammenhang aufweisen.
 

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