Wie historisiert man die „Kriege um Unabhängigkeit“ in der Europäischen Union:
Konferenz zum Start der neuen Max Planck Law Fellow Group mit Antoine Vauchez
Der Begriff der „Unabhängigkeit“ nimmt eine zentrale, aber umstrittene Rolle in der jüngeren europäischen Debatte ein, die mit den aktuellen Auseinandersetzungen um den Aufstieg des Populismus, den europäischen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus und die Ausweitung des geldpolitischen Mandats der Europäischen Zentralbank (EZB) einen vorläufigen Höhepunkt erreicht zu haben scheint. Zeit also, eine erste historische und rechtssoziologische Bilanz zu ziehen. Dies ist das erklärte Ziel der neuen Max Planck Law Fellow Group Independence and Democracy in the European Union, die unter Leitung von Professor Antoine Vauchez (Université Paris 1-Sorbonne), Professor Armin von Bogdandy (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg) und Professor Stefan Vogenauer (mpilhlt, Frankfurt) mit einer Konferenz am Frankfurter Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie am 14. September 2021 offiziell gestartet wurde.
In seiner Eröffnungsrede erklärte Antoine Vauchez, wie der Begriff der „Unabhängigkeit“ zunächst die Autonomie nationaler Rechtsgebiete regelte, bevor er im Laufe der europäischen Integration zunehmend mit dem Aufstieg und der Rolle supranationaler Institutionen wie dem Europäischen Gerichtshof und der EZB assoziiert wurde. Man müsse, so Vauchez, die mit dieser Entwicklung verbundenen rechtlichen Auseinandersetzungen – die europäischen „Kriege um Unabhängigkeit“ – historisieren und einer rechtssoziologischen Analyse unterziehen, um zu verstehen, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede legitimationssuchende Bezugnahmen auf „Unabhängigkeit“ kennzeichnen. Die insgesamt zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern, die neben den Partnerinstitutionen der Max Planck Law Fellow Group auch Kolleginnen und Kollegen aus Florenz (EUI), der Universität Gießen und der Goethe-Universität (Frankfurt) umfassten, diskutierten im Anschluss weitere einschlägige Fallbeispiele, notwendige sektorale oder nationale Differenzierungen des Unabhängigkeitsdiskurses sowie die möglichen methodischen Grundlagen des Projektes. Die lebhafte Diskussion verdeutlichte das interdisziplinäre und transnationale Potenzial der neuen „Independence and Democracy“ Forschungsgruppe und deren Relevanz für die aktuellen Herausforderungen der Europäischen Union.