Die Verfassung der Berliner Republik (The Constitution of the Berlin Republic)

No. 2015-08

Juristische Zeitgeschichte steht vor einem methodischen Dilemma: Während Geschichtsschreibung üblicherweise zeitliche und persönliche Distanzierung vom Forschungsgegenstand voraussetzt, kann die zeitgeschichtliche Untersuchung konstitutioneller Normativitätsveränderungen nur durch eine Nahbeobachtung der Zeitgenossen erfolgen. Davon ausgehend unternimmt der Beitrag den Versuch, Schlüsselelemente des Verfassungsrechts und seiner Wissenschaft in der Berliner Republik zu untersuchen. Seine zentrale These lautet, dass die konstitutionelle Zeitgeschichte der Berliner Republik erzählt werden kann als ein “Abschied vom Interim” der Bonner Republik.

Verschiedene Motive ergeben sich dabei: Fragen der Verfassungsidentität sind implizit und explizit Gegenstand des Diskurses. Dazu zählen Fragen nach der Reichweite zentraler Grundrechte, aber eben auch Fragen nach dem institutionellen Setting der Polity. Zugleich fordert der soziale Wandel das Verfassungsrecht heraus, man denke an wachsenden religiösen Pluralismus und die Debatten um die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften.

Parallel durchläuft die Wissenschaft des öffentlichen Rechts in der Berliner Republik einen tiefgreifenden Prozess der Selbstvergewisserung, in dessen Verlauf Grundlagendisziplinen des öffentlichen Rechts wie die Staatslehre und vor allem die Verfassungstheorie intensive Aufmerksamkeit erfahren.

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