Die Verstaatlichung gerichtlicher Autorität
Konzepte, Wege, Erfolge und Niederlagen bourbonischer, habsburgischer und päpstlicher Reformen im Italien des XVIII. Jahrhunderts
Promotionsvorhaben
Meine Promotion untersucht, wie in den italienischen Staaten des 18. Jahrhunderts die Herrscher im Prozess der Staatsbildung versuchten, Gerichte stärker in ihren Herrschaftsbereich einzugliedern und sie so in die sich entwickelnde Organisation des neuzeitlichen Staates zu integrieren, also unter ihre Autorität im Sinne des modernen Souveränitätsdenkens zu bringen. Viele Gerichte waren im Italien der frühen Neuzeit, anders als heutzutage, eher feudale, städtische, zünftische oder auch religiöse Institutionen, die ihre Autorität aus vielfältigen Quellen bezogen. Die Studie soll dabei in konkreten Reformprojekten ihren Ausgang nehmen, wie beispielsweise die Gründung der Real Camera di Santa Chiara 1735 in Neapel auf Betreiben Karls III zur Bündelung und Ordnung aller juristischer Kompetenzen unter königlicher Aufsicht. Ein besonderes Interesse soll dabei darauf liegen, wo und wie sich die Projekte nicht durchsetzen konnten, also andere Autoritäten fortbestanden. Dieses Fortbestehen, ggf. in modifizierter Weise, kann zwei Formen haben: entweder widerstanden alte Institutionen den Reformversuchen, oder aber sie setzten sich in den neuen Institutionen fort. Diese Forschungsfrage steht vor dem Hintergrund der allgemeineren Forschungsfrage nach typischen Formen richterlicher Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit.
Die bisherige Forschung auf diesem Gebiet hat die gerade beschriebene Entwicklung vor allem aus der Sicht der materiellen Rechtsquellen und Methoden der Gesetzesinterpretation beleuchtet. Meine Studie soll hingegen einen stärker institutionellen Ansatz wählen und insbesondere der Frage nachgehen, wie neue Gerichte eingerichtet, wie Richtern bestellt, wie unliebsame Richter sanktioniert, wie die Gerichte organisiert und finanziert wurden. Für die Auswahl und Darstellung des Materials ist hierbei die von Robert D. Putnam und anderen geprägte Theorie des Historischen Institutionalismus maßgebend. Insofern kommt es darauf an, dass Material so zu arrangieren, dass wir aus ihm auch ein Verständnis für die Gegenwart erhalten, insbesondere auf die Probleme der Justiz in Italien und vielleicht sogar auf Probleme der Justiz im ehemaligen Machtbereichs Spaniens. Zugleich soll die vergleichende Methode helfen, analytischen Tiefgang zu gewinnen, weshalb ein Vergleich verschiedener italienischer Territorien (Königreich Neapel-Sizilien, Herzogtum Mailand, Kirchenstaat) beabsichtigt ist.
Hauptsächlich werde ich als Quellen die Reformpläne, Dekrete und Erlasse der jeweiligen Monarchen und Exekutiven heranziehen, die sich auf die Gerichte und Richter beziehen. Diese finden sich alle drei interessierten Gebiete. Insbesondere für das Königreich Neapel und das Herzogtum Mailand ist ein großer Teil dieser Quellen ediert. Zur Erforschung der Umsetzung der oben genannten Reformen werde ich Urteile als Quelle heranziehen, aber auch nach weiteren Dokumenten suchen, wie z.B. Berichte von Exekutivorganen, die als Bestandsaufnahme über die Umsetzung der Reformen angefertigt wurden, wissenschaftliche, literarische Schriften oder die damalige Presse über das Thema.
Mein Dissertationsthema soll erstens einen rechtshistorischen Beitrag zur Frage der demokratischen Rechtsstaatlichkeit in ehemals spanisch beherrschten Gebieten Italiens darstellen. Zweitens soll die Arbeit relevant für eine rechtshistorische Betrachtung zu dem spannungsreichen Zusammenhang von richterlicher Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit sein.