Hierarchie und Autonomie

Regelungstraditionen der Bischofsbestellung in der Geschichte des kirchlichen Wahlrechts bis 1140

Andreas Thier

Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 257
Recht im ersten Jahrtausend 1
Frankfurt am Main: Klostermann 2011. XVII, 573 S.

ISSN 1610-6040
ISBN 978-3-465-04113-9


Im mittelalterlichen Bischofsamt verflochten sich politische Herrschaft und kirchliche Leitungsbefugnisse. Die Wahl und die Einsetzung von Bischöfen zählten deswegen zu den wichtigsten Themen kirchlicher, aber auch weltlicher Normsetzung. Seit der Spätantike entstanden langgestreckte Traditionen von Regelungen der Bischofsbestellung. Hier verbanden sich Vorstellungen hierarchisierter Ordnung und autonomer Selbstentscheidung mit Konzeptionen von der Wahl als regelhaft geordnetem Verfahren. Diesen Entwicklungen geht die Arbeit nach. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Ekklesiologie Cyprians von Karthago, dessen Ideen und Begrifflichkeiten der konziliaren und päpstlichen Normbildung wichtige Impulse geben sollten. Doch im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter gewannen auch andere Elemente an Einfluss, wie etwa die hierarchische Bindung der Bischofsbestellung oder der Konsens der Betroffenen. Diese spätantike Tradition zeigte Wirksamkeit bis in die Zeit von Kirchenreform und Investiturstreit. Wesentliche Voraussetzung dieser Entwicklungen waren die kirchlichen Kanonessammlungen, die die stete Präsenz der spätantiken Tradition garantierten. Doch diese Textmagazine sind zugleich auch Orte der Normbildung. Denn durch die Umgestaltung und systematische Ordnung der von ihnen aufgenommenen Texte entstehen neue Regelungsansätze. Gerade hier zeigt sich die ausgeprägte Wechselwirkung zwischen Schriftlichkeit und Recht im Zusammenhang der kirchlichen Kultur des Mittelalters.

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