Bescholtene Frauen vor Gericht.
Zur Rechtsprechung des preußischen Obertribunals und des Zürcher Obergerichts auf dem Gebiet des Nichtehelichenrechts

Marc Bors

Rechtsprechung. Materialien und Studien 11
Frankfurt am Main: Klostermann 1998. XIV, 226 S.

ISSN: 0931-6183
ISBN: 3-465-02986-0


Wann ist eine Frau "bescholten"? Die Frage stellte sich preußischen Richtern bei der Anwendung des sog. "Schwängerungsgesetzes" aus dem Jahre 1854. Dieses Gesetz hatte "bescholtene Frauen" und ihre Kinder von allen Ansprüchen gegen die nichtehelichen Väter ausgeschlossen. Das Gesetz war an die Stelle des Nichtehelichenrechts des Allgemeinen preußischen Landrechts von 1794 getreten. Die aufklärerische Kodifikation hatte ledigen Müttern und ihren Kindern eine vergleichsweise günstige Rechtsstellung eingeräumt.

Untersucht wird auf dem Gebiet des Nichtehelichenrechts der Wertewandel zwischen Aufklärung und bürgerlicher Gesellschaft. Besonderes Augenmerk gilt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum ALR und zum "Schwängerungsgesetz" von 1854. Die preußische Rechtsprechung wird mit der Rechtsprechung des Zürcher Obergerichts zum Nichtehelichenrecht des privatrechtlichen Gesetzbuches für den Kanton Zürich von 1853 verglichen.

Hauptgegenstand der Untersuchung sind Urteilsbegründungen. Bei der Rechtsprechung zum Nichtehelichenrecht des ALR wird der Frage nachgegangen, ob und wie der Wertewandel im 19. Jahrhundert die Rechtsprechung beeinflußte. Bei der Rechtsprechung zum "Schwängerungsgesetz" von 1854 interessiert vor allem die Frage, wie sich Richterbild und Urteilsbegründungsstil, Urteilsinhalte und bürgerliche Sexualmoral zueinander verhielten. Dabei geht es nicht zuletzt auch um Form, Inhalt und Hintergründe der höchstrichterlichen Antwort auf die Frage: Wann ist eine Frau "bescholten"?

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