Vom Schiedsmann zur Schiedskommission. 
Normdurchsetzung durch territoriale gesellschaftliche Gerichte in der DDR

Hans-Andreas Schönfeldt

Ius Commune Sonderheft 145
Frankfurt am Main: Klostermann 2002. XXIII, 509 S.

ISSN: 0175-6532
ISBN: 3-465-03176-8


Die Abhandlung entstand im Rahmen des Forschungsprojektes "Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften", in dessen Verlauf die verschiedenartigsten Formen der "gesellschaftlichen Gerichtsbarkeit" in Polen, Ungarn der Tschechoslowakei und der DDR untersucht worden sind. Für die DDR betraf der Forschungsschwerpunkt zwei Institutionen, die seit 1953 auf betrieblicher Ebene entstandenen Konfliktkommissionen und die seit 1963 vorwiegend in den Wohngebieten tätigen Schiedskommissionen. In den Regelungen zu den Schiedskommissionen wurden auf bemerkenswerte Weise Rechtsfiguren aus dem traditionellen Sühneverfahren (preußische Schiedsmänner und sächsische Friedensrichter) mit Vorbildern aus anderen Staaten des "sozialistischen Rechtskreises" vernetzt. Pate standen die sowjetische Kameradschaftsgerichtsbarkeit ebenso wie die tschechoslowakische Volksgerichtsbarkeit.

Die ersten drei Kapitel der Arbeit sind der Tätigkeit der Schiedspersonen (Sühnestellen), der Durchführung eines Pilotprojektes zu den Schiedskommissionen sowie ihrer vierjährigen Einführungsphase gewidmet. Im Kontext der Strafrechtsreform von 1968 wurden die "gesellschaftlichen Organe der Rechtspflege" zu "gesellschaftlichen Gerichten" erhoben und in das Gerichtssystem der DDR integriert. Vor allem auf dem Gebiet des Straf- und Ordnungsrechtes sind die Rechte der gesellschaftlichen Gerichte bis 1989 mehrfach erweitert worden. Ihre Einordnung in den Kontext der Institutionen zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit war mit einem spürbaren Rückgang der Inanspruchnahme durch die Bevölkerung verbunden. Obwohl in Teilbereichen als reformbedürftig angesehen, stand die Existenz der gesellschaftlichen Gerichtsbarkeit nach der politischen Wende 1989 nicht zur Disposition. Mit Blick auf den herannahenden Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes wurde deutlich, daß die Institutionen der gesellschaftlichen Gerichtsbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Rahmen der Bundesrepublik Deutschland nicht kompatibel sein würden. Vielfach bereits in Auflösung begriffen, endeten die Schiedskommissionen formell zeitgleich mit der DDR. Mit den Schiedsstellen in den Städten und Gemeinden der neuen Bundesländer haben sie als Institution der vorgerichtlichen Streitbeilegung einen partiellen Funktionsnachfolger gefunden.

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