Die Epitome Iuliani. 
Studien zum römischen Recht im frühen Mittelalter und zum byzantinischen Rechtsunterricht

Wolfgang Kaiser

Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 175
Frankfurt am Main: Klostermann 2004. XXV, 1006 S.

ISSN: 1610-6040
ISBN: 978-3-465-03297-7


Um das Jahr 554 hielt der Rechtslehrer Julian in Konstantinopel eine Einführungsvorlesung in die justinianischen Novellen, deren Inhalt er teils skizzierte, teils ausführlicher wiedergab („Epitome Iuliani“). Julian bediente sich dabei – wohl, weil seine Zuhörer aus der westlichen Reichshälfte stammten – des Lateinischen. Diesem Umstand sowie dem starken kirchenrechtlichen Anteil an den justinianischen Novellen ist es zu verdanken, daß die Epitome Iuliani im (westlichen) Frühmittelalter in beträchtlichem Umfang rezipiert wurde; sie nahm den Platz einer eigenständigen Novellensammlung ein.

Die Abhandlung befaßt sich sowohl mit der Epitome Iuliani im byzantinischen Rechtsunterricht wie mit ihrer Rezeption im Westen. Den Ausgangspunkt bilden die Handschriften: Zuletzt vor mehr als hundert Jahren von Gustav Hänel untersucht, stellen sie nicht nur beeindruckende Zeugnisse der Rechtskultur im frühen Mittelalter dar, sondern liefern zudem Aufschlüsse über die Beschäftigung mit der Epitome Iuliani in byzantinischer Zeit. Mit der Überlieferung der Epitome sind andere justinianische Rechtstexte verbunden: So ist das Berliner Institutionen- und Digestenfragment in eine Handschrift der Epitome Iuliani eingefügt; es entstand wohl sogar im selben Skriptorium. Auf die Handschriften stützt sich auch die Erörterung der Exzerpte aus der Epitome in frühmittelalterlichen Rechtssammlungen. Die Untersuchung bezieht die weitgehend unerforschte Collectio Gaudenziana ein, die Exzerpte aus dem justinianisch-römischen Recht, dem westgotisch-römischen Recht und dem gotischen Recht vereint. Alle Teile der – textkritisch hier erstmals aufgearbeiteten – Sammlung unterlagen wohl in Süditalien im ausgehenden zehnten Jahrhundert einer unterschiedlich intensiven Bearbeitung.

Häufig wird postuliert, daß erhaltene Sammlungen mit Exzerpten aus der Epitome Iuliani von umfassenderen, freilich verlorenen Vorlagen abstammen. Die Frage, ob eine solche Abhängigkeit mit dem textkritischen Befund für die einzelnen Exzerpte überhaupt zu vereinbaren ist, blieb bislang unbeantwortet. Die Abhandlung versucht über eine Analyse des handschriftlichen Befundes nachzuweisen, daß es solche Vorläufersammlungen nicht gegeben hat.

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